DER MÜLL MUSS RAUS!

Du kannst nicht das nächste Kapitel deines Lebens beginnen, wenn Du ständig den letzten Abschnitt wiederholst.  (Michael McMillan)

 

Ich genieße diese besondere Ruhe am Sonntagmorgen. Zu wissen, dass ich überhaupt gar nichts muss und die Welt langsam ins Bewusstsein rückt, liege ich mit geschlossenen Augen gemütlich im Bett. Es ist die Tageszeit, in der mir oft gute Ideen kommen oder Geistesblitze durch den Kopf jagen.
„Heute machen wir Entlastungstag“, beschließt der Kopf. Gute Ideen, antwortet der Körper und macht sich schon mal bereit, indem er sich auf die Bettkante setzt. „Gut wäre, wenn du jetzt noch fasten würdest.“ Immer wieder geht mir dieser Satz meiner Ärztin in den letzten Wochen durch den Kopf. Ob der erste Advent ein guter Startpunkt dafür ist? Na ja, zumindest habe ich in den vergangenen Monaten die Kalorien für die Weihnachtszeit vorsorglich schon mal mitverputzt. Ich kann locker, während ich Auto fahre, die auf dem Beifahrer-Sitz lagernden Süßwaren-Vorräte vernichten. Ganz zu schweigen von den Frust-Fress-Attacken davor, denen ich meine derzeitigen Corona-Pfunde zu verdanken habe. Diese in jeglicher Hinsicht spannende Phase seit März ‘20 war streckenweise wirklich nur mit vielen Süßigkeiten zu ertragen.
Entschlossen verziehe ich mich mit meiner Lieblingsfastenlektüre „Wie neugeboren durch Fasten“ von Dr. med. Hellmut Lützner auf’s Sofa und bereite mich seelisch und moralisch auf das vor, was ich mir da vorgenommen habe. Die Gewichtstabelle auf Seite 58 lässt mich wissen, dass ich mich das letzte Mal im Mai 2013 und davor im Juni 1998 auf diese spannende Reise begeben habe. Da wird’s aber auch echt mal wieder Zeit!

Warum ich Fasten für eine gute Idee halte?
Ganz einfach: Ich fühle mich nicht mehr wohl in meiner Haut und es beschleicht mich schon länger die Vermutung, einen Entzündungsherd mit mir rumzutragen, der diverse Beschwerden mit sich bringt. Ganz zu schweigen von den drei Wochen Antibiotikum, die mir im Sommer aufgrund meiner Neuroborreliose täglich intravenös verabreicht wurden.

Auch wenn das seltsam anmuten mag, Fasten ist für mich echt einfach: es gibt feste Routinen, wenig Auswahl und ich muss in Sachen Essen und Trinken fast nix denken. Zudem kann ich sehr gut damit leben, dass andere vor meinen Augen Weihnachtsplätzchen, Gänsebraten und Schoko-Nikoläuse vernichten, während ich mich an einem Glas mit heißem Tee festhalte. Passend dazu fällt die Vorweihnachtszeit aufgrund von Social Distancing dieses Jahr eh mau aus. Womit ich nicht gut leben kann sind allerdings die mitleidigen Blicke, doofe Sprüche am Tisch und … dass ich Hunger habe. Und auch, wenn viele Menschen behaupten, dass sich das Hungergefühl nach 3 Tagen schleicht, bei mir verschwindet da gar nix. Aber auch damit ich kann ich für diese kurze Zeit gut leben, weil ich mich auf das freue, was mich nach dieser Fasten-Woche erwartet.

Ganz entfernt erinnere ich mich nämlich an das Ergebnis der letzten Male: dieses Gefühl der innerlichen Sauberkeit, die schwindenden Fettpölsterchen und danach über einen längeren Zeitraum einfach kein Verlangen mehr nach Süßigkeiten, Kaffee und sonstigen Genussmitteln zu haben. Irgendwie reizt es mich so richtig, diese Kombi mal wieder zu erleben. Und heute ist es eben soweit, nachdem ich seit Wochen mit dem Gedanken schwanger gehe.

Fünf Tage nehme ich mir vor, vielleicht ein wenig länger, wenn ich es durchhalte. Ich mag es einfach mal geschehen lassen, tief in mich reinhören, was mir guttut und ganz ohne Druck diese Zeit erleben – ohne groß etwas zu erwarten. Es muss nur einfach mal dieser Müll raus.

Am Ende werden es dann doch stolze neunzehn Tage. Während dieser Zeit ernähre ich mich in flüssiger Form von Obst- und Gemüsesäften, brauche unfassbar wenig Schlaf, der sehr tief und erholsam ist. Oft ist gegen vier oder fünf Uhr die Nacht zu Ende. So habe ich richtig viel Zeit, die ich nutze, um mich intensiv meiner Seele, meinen Emotionen und meiner Gesundheit zu widmen. Obwohl der Winter aufgrund von Kälte und der kurzen, oft düsteren Tage wirklich nicht mein Ding ist, sprühe ich vor Energie, gehe in die Sauna, genieße Vollbäder und gemütliche Lese-Nachmittage am Kamin. Das Einzige, was am Weihnachtsfasten vielleicht keine gute Idee ist: ich friere echt viel. Ist ja auch logisch, wenn von außen nicht so viel Energiereiches reinkommt.
Was ich auch mit Freuden feststelle: Meine Haut ist zart wie ein Baby-Popo, die so oft präsenten Verspannungen lösen sich in Luft auf und ich könnte glatt Bäume rausreißen. Es geht mir super, denn mein Körper benötigt einfach wenig Energie für die Verdauung.
Ist es für mich schwer? Nicht wirklich, denn ich entscheide mich jeden Tag auf’s Neue, ob ich weiterfasten möchte. Das legendäre Fastenbrechen lege ich bewusst auf einen Samstagmorgen. Achtsam, vor dem Kamin sitzend, zelebriere ich die ersten Bissen nach fast 3 Wochen: meinen ersten Apfel. Und selbst den schaffe ich tatsächlich nur zur Hälfte.

Pünktlich zu Weihnachten sitze ich mit der Familie wieder am reich gedeckten Tisch – ich fühle mich tatsächlich wie neu geboren. Und ich nehme mir eins vor: Ein Entlastungstag in der Woche, das schaffe ich. Einen Tag Obst und Gemüse oder ein Reis-Tag oder sowas, um dem Körper eine Pause zu gönnen. Einen Tag ohne Kaffee oder Süßigkeiten. Einen Tag ganz bewusst und achtsam sein, was ich in meinen Körper reinstopfe oder reinschütte.

Was speziell dieses Fasten zu etwas ganz Besonderem gemacht hat?
Ich merke sehr schnell, dass mit dem Übergang zum normalen Essen die nächtliche Unruhe, einige meiner Beschwerden und die Energielosigkeit zurückkommen. Und mir wird schlagartig bewusst, dass viele dieser Probleme offensichtlich mit meiner Ernährung zusammenhängen. Nicht dass ich da hätte schon früher draufkommen können oder das nicht wusste. Jetzt allerdings spüre ich tief in meinem Inneren, dass eine Umstellung die Lösung für Vieles sein könnte. Und so wird es – bedingt durch die Erkenntnisse der Fastenzeit – nach und nach ein Aufbruch in eine neue Ess-Ära. Dazwischen liegen noch ein paar spannende Etappen mit Selbstversuchen wie beispielsweise einer Leber-Gallen-Reinigung. Schließlich will gut Ding eben auch Weile haben.