DAS LOHNT SICH DOCH NICHT!

Die Dinge, auf die es im Leben wirklich ankommt, kann man nicht kaufen.   (Willian Faulkner)

 

„So Mama, das macht 47 Euro!“ Grinsend schiebt Jan (12) mir den Zettel rüber, über den er in den letzten Minuten gebrütet hat. Ich zücke den Laptop und schreibe ihm den Betrag auf seinem Verlängerten Geldbeutel (einer banalen Excel-Datei) gut. Es ist faszinierend, wie sich unsere Hofstätterlin über die Zeit hinweg für die Kinder auszahlen. Wann immer sie in Haus und Garten mithelfen, können sie die eingebrachte Zeit auf ihrem Arbeitszeit-Konto eintragen und bei Bedarf auszahlen lassen.
Das Gute daran ist, dass diese Familien-Währung nicht auf unserem Erwachsenen-Mist gewachsen ist. Es war die Idee von Finn (16), der vor einigen Jahren Sincity kennengelernt hat. Alle zwei Jahre können Sinsheimer Kids in den Sommerferien eine Woche in einer Stadt verbringen, die in einer großen Halle aufgebaut wird. Die Kinder lieben dieses Ferienprogramm. Sie bekommen spielerisch einen kleinen, wunderbaren Einblick, wie Leben geht. In verschiedenen Läden können sie sich täglich erneut für einen Job entscheiden, in dem sie arbeiten und Geld verdienen. Da wird in der Küche gekocht und gebacken, werden Körbe geflochten und Seifen geformt. Es werden Haare gemacht und Haut verwöhnt, Einrad gefahren und Blumen verkauft. Ins Kino gegangen und wer mag darf sogar heiraten – mit Party versteht sich.
Die geleistete Arbeitszeit wird auf eine Konto-Karte eingetragen und bei der Bank können sie sich den Verdienst in handfeste Sinsel – der Sincity-Währung – auszahlen lassen: Kronkorken für das Kleingeld, Papierschnippel für das große.

Angesteckt von dieser Idee drückt Finn mir zuhause einen Kronkorken in die Hand und sagt: „Mama, das ist ein Sinsel. Wir könnten doch bei uns Hofstätterlin einführen. Immer wenn wir zuhause mithelfen, bekommen wir welche und wenn wir Dienste von euch in Anspruch nehmen – zum Beispiel irgendwo hinfahren lassen – zahlen wir damit.“ (Teil zwei kam bisher übrigens nicht zum Einsatz ;-))

Ich finde das eine super Idee! Alleine schon deshalb, weil sie von den Kindern kommt, sie sich gegenseitig mit ihrer Begeisterung anstecken und gemeinsam das Konzept weiterentwickeln: Kronkorken bei Opa holen, Zettel schnippeln, Konten mit Spalten anfertigen. Und natürlich braucht es noch die Gehaltsverhandlungen. Wir einigen uns auf 10 Cent für 5 Minuten Mitarbeit. Egal ob Mitfahren zum Einkaufen, Spülmaschine ausräumen, Küchendienst, wöchentlich putzen, Wäsche aufhängen oder im Garten mithelfen.
(Ich erinnere mich noch gut, als ich mit den Kids vor Jahren mal die Garage grundgesäubert habe – und die ist echt hoch. Das Engagement war ungebremst und es gab eine Schmutz-Zulage obendrauf wegen der vielen Spinnweben ;-))

Was mich fasziniert sind zwei Dinge: Erstens finde ich es unglaublich, über wie viele Jahre dieses Konstrukt schon Bestand hat. Zweitens ist es eine wunderbare Erfahrung zu erleben, wie begeistert Kinder mitziehen, wenn die Ideen aus den eigenen Reihen stammen. Und während Jan heute noch ganz konsequent seine Zeiten einträgt und sich handfeste Euros dafür auszahlen lässt, haben die beiden anderen lange aufgegeben: „Das lohnt sich doch nicht!“

 

P.S. Pfingsten 2021  |  Familienurlaub in den Bergen
Während wir bei einer spektakulären Wanderung im Salzburger Land den Rückweg einschlagen, erzählt mir Anne, dass sie gerade für ein neues Handy spart und sich fragt, wie sie zu Geld kommt. Während mein Mann Uwe den Grundsatz vertritt ‚Haben kommt von Halten‘, sitzt bei Anne das Geld eher locker, weshalb es meist Mangelware ist. Jan schüttelt nur den Kopf, beugt sich zu mir rüber und sagt: „Dann soll sie doch mal ihre Hofstätterlin eintragen.“

Das nachfolgende Überzeugungsgespräch der Zwillingsgeschwister ist eine Story für sich. Bis zum Auto ist Anne damit beschäftigt auszurechnen, wieviel sie mitarbeiten muss, bis sie die Kröten zusammen hat. Ich biete neue Gehaltsgespräche an – wir könnten ja mal verdoppeln …

 

P.P.S. Juli 2021
Während wir von Oma aus der Pfalz nach Hause fahren, berichtet Anne mir von ihrem neuen Projekt: einer TODO-Liste im Handy. Die gibt sie bei der Autofahrt zum Besten. Ich lächle schweigend vor mich hin. Denn neben all den tollen Dingen, die sie sich vorgenommen hat, steht „Hofstätterlin eintragen“ eben auch drauf.